Schielen, Doppelbildern und Erkrankungen der Augenhöhle

Schielerkrankungen – Ganz Allgemein

Schielen bezeichnet die Abweichung eines Auges von der Normalstellung, d.h. die Sehachsen beider Augen treffen sich nicht im fixierten Objekt, sondern das betroffene Auge weicht von der normalerweise korrekt auf das Objekt gerichteten Stellung ab. Damit ist fast immer eine erhebliche Beeinträchtigung der Sehfähigkeit verbunden. Abhängig vom Lebensalter der Betroffenen kann das Schielen dabei ganz verschiedenartige Konsequenzen haben.

Orthoptik

Ein Spezialgebiet der Augenheilkunde, die Orthoptik, befasst sich mit der Diagnostik, Prävention und Rehabilitation von Sehstörungen, die durch Augenstellungsfehler oder Einschränkungen der Augenbeweglichkeit verursacht werden: Dazu zählen insbesondere angeborene Schielerkrankungen, welche bei Kindern häufig ein reduziertes räumliches Sehvermögen und meist auch die Schwachsichtigkeit eines Auges zur Folge hat.

Es sind aber auch Erwachsene betroffen, die nicht selten auch unter neurologisch bedingten Augenstellungsfehlern und Augenbewegungsstörungen leiden, wobei diese ihre visuellen Störungen selber bemerken, manchmal nur als Unschärfe oder in Form unbestimmter visueller Beschwerden bei der Bildschirmarbeit beschreiben, oft aber typischerweise in Form von Doppelbildern.

Bei Kindern und Jugendlichen werden dagegen häufig zunächst die Eltern im Zusammenhang mit dem Auftreten von schulischen Problemstellungen auf die Störung aufmerksam. Die Betroffenen haben im Schulalltag häufig Leseprobleme verbunden mit Lernschwierigkeiten, Konzentrationsstörungen und Kopfschmerzen, oft werden die Eltern oder die Lehrperson aber einfach nur durch ein häufiges Augenkneifen oder Augenreiben aufmerksam und veranlassen daraufhin eine Abklärung.

In der Orthoptik wird generell immer auch hinsichtlich des Zusammenhangs einer Weit- oder Kurzsichtigkeit mit einem versteckten oder manifesten Schielen untersucht und daraus folgende Störungen der Zusammenarbeit beider Augen bestmöglich korrigiert.

Besonders die Schwachsichtigkeit im Vorschulalter, Naheinstellungsschwäche (Akkommodationsstörung) und verstecktes Schielen bei Schulkindern sowie Doppelbilder bei Erwachsenen werden in Bezug auf die zu Grunde liegenden Diagnose therapiert.

Diese spezifischen Untersuchungen und Massnahmen werden in der Regel von einer Orthoptistin durchgeführt. OrthoptistInnen erwerben ihr Fachwissen in einem mehrjährigen praxisbezogenen Studiengang an einer Höheren Fachschule mit Abschluss als Diplom-Orthoptistin HF und arbeiten danach in Kliniken und Praxen immer eng mit AugenärzInnen zusammen.

Schielerkrankungen bei Erwachsenen

Bei Erwachsenen sind die Folgen eines Schielens oft erhebliche Sehstörungen, meist in Form von Doppelbildern, häufiger aber auch heftige Kopfschmerzen, was also nicht nur die Sehfähigkeit der Betroffenen, sondern auch die Lebensqualität insgesamt sehr beeinträchtigen kann.

Das Schielen des Erwachsenen kann ganz verschiedene Ursachen haben: Es sind dies vor allem nervliche Lähmungen einzelner Augenmuskeln z.B. nach Schädel-Hirnverletzungen und besonders auch nach Schlaganfällen. Dann ein unbeherrschbares so genanntes verstecktes Schielen (Winkelfehlsichtigkeit), öfter auch verschiedenartige Erkrankungen der äusseren Augenmuskeln, aber auch, dies allerdings meist weniger störend, die Folgezustände eines angeborenen Schielens 

Das therapeutische Vorgehen richtet sich naturgemäß immer nach der zugrunde liegenden Ursache, welche sich meist nach einer qualifizierten augenfachärztlichen Untersuchung finden lässt.

In einzelnen Fällen ist eine Ursachenabklärung aber nur mittels Kernspintomografie und Laboranalysen möglich. Sind die zugrunde liegenden Ursachen nach Möglichkeit behoben, das Schielen besteht aber dennoch fort, so können auch bei Erwachsenen im Einzelfall gute Erfolge mittels Spezialbrillen erzielt werden, welche den Schielwinkel durch Gläser mit prismatischer Wirkung ausgleichen. In vielen Fällen kann aber auch hier nur eine Schieloperation helfen

Augenhöhlenerkrankungen

Die Augenhöhle, auch Orbita genannt, ist gekennzeichnet durch eine komplizierte Anatomie. Auf sehr engem Raum findet sich eingebettet in einen Fettkörper das Auge. Augenstellung und -beweglichkeit werden über sechs in der Augenhöhle befindliche Augenmuskeln gewährleistet. Auch der äusserst sensible Sehnerv, der das Auge mit dem Gehirn verbindet, verläuft durch die Orbita. Darüber hinaus finden sich hier Blutgefässe und Nerven, die für die Blutversorgung und neurologische Kontrolle von Beweglichkeit, Sensibilität und Stoffwechsel verantwortlich sind. Krankhafte Prozesse der Augenhöhle können sich deshalb sehr vielfältig äussern: häufig ist ein erstes Zeichen eine Lidfehlstellung, dann ein Hervortreten der Augen, darüber hinaus Störungen der Augenbeweglichkeit mit Doppelbildern und nicht zuletzt natürlich Einschränkungen des Sehvermögens oder auch Schmerzen. Diagnostik und Therapie erfordert immer eine enge Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen: der Augenheilkunde, der Radiologie sowie Neurochirurgie und Gesichtschirurgie.

Auge- und Allgemeinerkrankungen

Es gibt eine ganze Reihe von Allgemeinerkrankungen, bei denen das Auge in Mitleidenschaft gezogen werden kann. Dies sind in erster Linie Gefässerkrankungen im Rahmen einer Blutzuckererkrankung oder eines Bluthochdruckes, die über die Mitbeteiligung der Netzhautblutgefässe zu einer Beeinträchtigung des Sehvermögens führen können. Die rechtzeitige Diagnosestellung und adäquate Behandlung ist hier für die Prognose von entscheidender Bedeutung.

Darüber hinaus finden sich häufiger bei Schilddrüsenfunktionsstörungen mit einer Überfunktion gravierende Augenmitbeteiligungen, die im Extremfall das Bild der Basedow’schen Erkrankung hervorrufen. Kennzeichen ist das häufig dramatische Hervortreten der Augäpfel, hinzukommen Augenmuskelstörungen mit schwerwiegenden Doppelbildern und im Extremfall auch Druckschäden am Sehnerv mit Gefährdung der Sehfähigkeit.

Nicht zuletzt finden sich recht häufig im Rahmen zahlreicher rheumatologischer Erkrankungen auch gravierende entzündliche Mitbeteiligungen an Regenbogenhaut sowie Netz- und Aderhaut.

Patienten mit derartigen Allgemeinerkrankungen sollten deshalb mindestens einmal jährlich auch bei Beschwerdefreiheit den Augenarzt zu einer Vorsorgeuntersuchungaufsuchen.

Neuroophthalmologie

Die Neuroophthalmologie ist ein Spezialgebiet der Augenheilkunde, welches sich mit den Auswirkungen neurologischer Störungen auf das Sehsystem befasst. Man rechnet, dass etwa die Hälfte der Gesamtleistung des zentralen Nervensystems allein auf den komplexen Prozess der visuellen Wahrnehmung entfällt. Dies erklärt auch, warum das visuelle System so anfällig ist und deshalb bei so vielen neurologischen Krankheitsbildern erhebliche Sehstörungen auftreten können.

Neurologische Krankheitsbilder, die sehr häufig Sehstörungen mit sich bringen können, sind beispielsweise Zustände nach Schädelhirnverletzungen, Schlaganfällen und natürlich die Multiple Sklerose. Aber es gibt darüber hinaus eine ganze Reihe weniger bekannte neurologische Krankheitsbilder, die ebenfalls gravierende Störungen des Sehsystems bewirken können.

Die häufigsten neuroophthalmologischen Störungen betreffen die Kontrolle von Augenstellung und Augenbeweglichkeit, weshalb Doppelbilder und »Augenzittern«, auch Nystagmus genannt, hierbei Leitsymptome sind.

Darüber hinaus finden sich mindestens ebenso häufig Störungen des überaus bedeutsamen Gesichtsfeldsinnes. Damit wird eine Einschränkung der visuellen Wahrnehmung in räumlicher Ausdehnung nach rechts oder links oder oben und unten bezeichnet, welche sowohl die Lesefähigkeit, als auch die Fahrtauglichkeit in erheblichem Masse beeinträchtigen kann. Findet sich die Störung auch im Zentrum des Gesichtsfeldes, so ist ausserdem meist auch die Sehschärfe selber deutlich herabgesetzt.

Weitere Symptome, die auf eine neuroophthalmologische Störung hinweisen können, sind außerdem Kopfschmerzen, dann natürlich ungleiche Pupillenweiten und manchmal auch Lidzuckungen, welche im Extremfall auch mit einem wiederkehrenden krampfartigen unwillkürlichen Lidschluss in Erscheinung treten können.

Seltenere Symptome sind halluzinatorische Störungen, Personen- und Objekterkennungsstörungen, sowie Störungen der visuellen Raum- und Umwelterfassung.

Verstecktes Schielen

Mit verstecktem Schielen (Winkelfehlsichtigkeit) bezeichnet man eine meist harmlose Schielform, die äusserlich nicht sichtbar ist, für den Betroffenen aber dennoch im Einzelfall mit gravierenden Beschwerden verbunden sein kann.

Kennzeichen ist eine unter Testbedingungen nachweisbare Augenfehlstellung, die der/die Betroffene aber unter Einsatz von Kompensationsmechanismen noch selber unbewusst korrigieren kann. Diese Kompensationsmechanismen sind auf Dauer belastend und führen zu den folgenden Symptomen: Man spricht von dem typischen asthenopischen Beschwerdekomplex, der bei etwa 10% der Betroffenen auftritt.

Die Beschwerden bestehen z.B. in Form von Schmerzen im Bereich der Augenhöhle und im Stirnbereich, die Patienten berichten über müde und brennende Augen und auch über Verschwommensehen. Zeitweilig kann sogar auch Doppeltsehen in der Nähe oder besonders nachts beim Autofahren auftreten. Die Symptome können sich unter einer Stresssituation verstärken.

Diagnosestellung ist nur nach einer eingehenden orthoptischen, für den Patienten nicht belastende Untersuchung möglich. Im Einzelfall ist immer auch eine Pupillenerweiterung zur Erfassung einer verborgenen Fehlsichtigkeit, insbesondere einer Weitsichtigkeit erforderlich.

Die Behandlungsnotwendigkeit richtet sich immer nach der Intensität der Beschwerden des Patienten und dem augenfachärztlichen Befund. Im Einzelfall kann die so genannte Winkelfehlsichtigkeit durch prismatische Gläser korrigiert werden, aber ab einer bestimmten Schielwinkelgrösse kann nur durch eine Schieloperation Beschwerdefreiheit erreicht werden.

Frühkindliches Schielsyndrom

Das frühkindliche Schielsyndrom ist eine Schielform, die in aller Regel schon in den ersten Lebensmonaten auftritt. Meist wird ein extremes Schielen nach innen, also zur Nase hin beobachtet, was die Eltern meist umgehend zum Augenarzt führt.

Das Schielen ist oft streng einseitig, kann aber auch wechselseitig auftreten, was für die Sehschärfenentwicklung beider Augen meist günstiger ist. Im Falle eines streng einseitigen Schielens besteht sofortiger Handlungsbedarf, um eine Schwachsichtigkeit des schielenden Auges zu verhindern.

Das Schielsyndrom ist dadurch gekennzeichnet, dass zusätzlich häufig auch noch eine vertikale Abweichung des rechten oder linken Auges, besonders nach oben beobachtet wird. Darüber hinaus findet sich häufig eine höhergradige Weitsichtigkeit oder auch eine ebenfalls korrekturbedürftige Hornhautverkrümmung.

Die Behandlung gestaltet sich in der Regel wie folgt: im Falle des Vorliegens einer einseitigen Schwachsichtigkeit erfolgt zunächst der Aufbau der Sehschärfe mittels einer Amblyopietherapie durch stundenweises Abkleben des besser sehenden Auges.

Voraussetzung ist immer eine vorhergehende exakte Bestimmung der Brechkraft beider Augen mittels eines Tropfuntersuches und anschliessend vollständiger Ausgleich einer allfällig vorhandenen Weitsichtigkeit oder Hornhautverkrümmung mittels Brille.

In vielen Fällen besteht das Schielen dennoch weiter fort, so dass noch vor der Einschulung eine Schieloperation zwecks Stellungskorrektur des Auges erfolgen sollte.

Schieloperationen

Sind Behandlungskonzepte wie beispielsweise alleinige Korrektur einer Weitsichtigkeit oder ein prismatischer Schielwinkelausgleich nicht erfolgreich, so kommt im Einzelfall nur eine Schieloperation in Frage, um eine Besserstellung der Augen und im Einzelfall auch ein besseres beidäugiges Sehvermögen zu erreichen.

Schieloperationen werden in aller Regel sowohl bei Erwachsenen, besonders aber bei Kindern in Vollnarkose durchgeführt. Die Operation kann ambulant durchgeführt werden und zieht eine nur sehr kurze Rehabilitationsphase nach sich.

Die Schieloperation ist ein wenig belastender Eingriff, bei dem lediglich die unter der Bindehaut am Augapfel ansetzenden Muskeln operativ beeinflusst werden. Grundkonzept jeder Schieloperation ist die Optimierung der Augenposition mittels mikrochirurgischer Augenmuskelrücklagerung und Augenmuskelverkürzung.

Zur Anwendung kommen gegebenenfalls auch Operationen an schrägen Augenmuskeln um ein allfälliges Höhenschielen zu neutralisieren. Des Weiteren auch so genannte Fadenoperationen, um dynamische Defizite, beispielsweise Situationen, bei denen sich ein wesentlich grösserer Schielwinkel in der Nähe als in der Ferne findet, zu beeinflussen.